Sabine Schulze ist 1962 geboren. Sie ist durch Contergan geschädigt worden und hat deswegen stark verkürzte Arme mit drei Fingern auf der rechten Seite und zwei Fingern auf der linken Seite.
Sabine Schulze studierte in Heidelberg Sozialarbeit und zog 1985 nach Hamburg, wo sie heute noch lebt und als Peer Counselorin und WenDo Trainerin arbeitet.
Sie hat eine Tochter, die sie auch mal gerne auf eine ihrer zahlreichen Reisen mitnimmt.
1985 hatte ich noch gar nichts mit der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung zu tun. Ich studierte in dem Jahr in Heidelberg, Sozialarbeit. Und mir begegnete ein Buch mit dem titel "Geschlecht: Behindert, besonderes Merkmal Frau", herausgegeben von Theresia Degener, Gisela Hermes und anderen. (Geschlecht: Behindert. Besonderes Merkmal: Frau. Ein Buch von behinderten Frauen. Herausgegeben gemeinsam mit Silke Boll, Carola Ewinkel u.a. München: AG Spak 1985) Und da kam ich zum ersten Mal mit der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung der behinderten Menschen in Berührung.
Dieses Buch hat mich tief im inneren getroffen. Und es war so eine Offenbarung für mich, dass da Menschen, Frauen vor allen Dingen, mit sichtbaren körperlichen Behinderungen sich haben fotografieren lassen. Und einfach einmal gesagt, wie es ist. Und ich habe mich so allein durchgewurschtelt und habe mit unglaublicher Kraftanstrengung und habe so die Vorstellung entwickelt, naja, im Grunde ist für mich in dieser Welt eigentlich nichts so vorgesehen. Ich muss alles erkämpfen. Und ich habe kein richtiges Selbstwertgefühl gehabt in dem Sinne. Habe halt getan, was ich dachte tun zu müssen.
Aber es war im Grunde nicht von der Lebensqualität, die ich heute habe zum Beispiel. Und dieses Erweckungs- oder Aha-Erlebnis durch das Buch, von dem ich anfangs gesagt habe, das hat sich halt fortgesetzt, sobald ich eben die WenDo-Kurse und auch diese Anstellung bei Autonom Leben begann. Denn da hatte ich Blut geleckt und sozusagen vom Baum der Erkenntnis gegessen. Aha, es gibt auch noch ein anderes Leben. Es gibt die Möglichkeit, mit meiner Behinderung ein Leben zu führen, was sich gut und wertvoll anfühlt. Und die Chance dazu, das wirklich Schritt für Schritt mir zu erarbeiten und mir zu entwickeln oder zu entwickeln, das bekam ich halt bei Autonom Leben. Weil ich gemerkt habe, erstens ich bin da gar nicht alleine. Und zweitens, da werde ich ernst genommen. Da ist meine Arbeit gefragt. Und da ist tatsächlich die Tatsache, dass ich behindert bin, ein Merkmal aufgrund dessen ich eingestellt wurde. Und kein Defizit mehr, sondern eine Qualifikation sozusagen. Und das war natürlich für mich, als das fand ich ganz, ganz großartig. Und habe dann wirklich mich herausgekämpft.
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Dieses Interview wurde geführt von Evelyn Schön.