Dr. Swantje Köbsell
Dr. Swantje Köbsell

Prof. Dr. Swantje Köbsell ist studierte Behindertenpädagogin und Professorin für Disability Studies an der Alice Salomon Hochschule in Berlin. Sie ist auf einen Rollstuhl angewiesen. 1958 wurde sie in Bad Saulgau in Oberschwaben geboren. Als sie sechs Jahre alt war, zog die Familie nach Göttingen. Nach dem Abitur wollte sie Beschäftigungstherapeutin werden, aber ein Unfall machte ihr einen Strich durch die Rechnung: Aufgrund der daraus resultierenden Querschnittlähmung verbrachte sie ein Jahr lang in der Reha-Klinik Hessisch-Lichtenau bei Kassel wo man ihr als nun behinderter Frau von der Therapeutenausbildung dringend abriet. Stattdessen begann sie 1980 an der Universität Bremen Behindertenpädagogik zu studieren und wurde Mitglied der Bremer Krüppelgruppe und damit Teil der emanzipatorischen Behindertenbewegung, in der sie sich seit 1981 aktiv engagiert. Sie hat die Beratungsstelle Selbstbestimmt Leben mit aufgebaut, war in der Assistenzgenossenschaft Bremen als Beraterin tätig und später als pädagogische Begleiterin für Jugendliche im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ). Seit 1992 hatte sie Lehraufträge an der Universität Bremen und wurde dort 2004 Wissenschaftliche Mitarbeiterin. 2010 promovierte sie mit einer Arbeit zum Thema „Besondere Körper – Körper und Geschlecht im Diskurs der deutschen Behindertenbewegung“ und wurde 2014 als Professorin für Disability Studies an die Alice Salomon Hochschule (ASH) in Berlin berufen. Durch ihre politische und Forschungsarbeit zum Thema Behinderung ziehen sich vor allem das Thema Behinderung und (weibliches) Geschlecht sowie die Bedeutung von Eugenik/Bioethik für behinderte Menschen.

Und es war dann auch zu Hause ein bisschen schwierig zu erklären, warum ich jetzt in eine Krüppelgruppe ging. – „Ach, Kind, was für ein schreckliches Wort!“ Aber das war positiv identitätsstiftend. Ich habe mich nicht mehr als armes behindertes Hascherl gefühlt, als das ich auf der Straße immer behandelt wurde.

Aber trotzdem merke ich, dass die Außenwahrnehmung stärker wird, zum Beispiel daran, dass an meiner Professur tatsächlich ‚für Disability Studies‘ steht. Es war die erste Professur, die überhaupt so ausgeschrieben wurde. Ich bekomme oft Anfragen, bei denen ich nicht weiß, ob ein tieferes Interesse dahinter steht oder ob jemand nur glaubt, Disability Studies müssten heutzutage irgendwie mitinvolviert werden. In der Beziehung hat sich also schon etwas verändert.

Es gab lange Zeit Bedenken, ob die Behindertenbewegung etwas sei, was fortgeschrieben werden würde, oder ob die jungen Menschen es einfach nur klasse finden, dass sie jetzt Busse und Bahnen nutzen können und generell viel mehr Möglichkeiten haben und vielleicht gar nicht mehr die Notwendigkeit sehen, sich zu engagieren. Das finde ich im Moment sehr spannend, wie über die Diskussion um das Bundesteilhabegesetz jetzt wieder viele junge Menschen zu unserer Bewegung gestoßen sind und dass es Demos gibt mit Tausenden von Teilnehmer*innen.

 

Das Interview wurde geführt von Andreas Brüning. Das ganze Interview finden Sie hier als PDF.